Weltpremiere! – Wie es kam, dass Herr Emm einem Freund zu Wohlstand und nach darauffolgender Armut zu neuerlichem Wohlstand verhalf

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Zu einer Zeit als Einkaufen mehr zum Sport als zur Notwendigkeit wurde, stand Herr Emm eines Tages staunend vor den Supermarktregalen. Herr Emm war ein geübter Einkäufer, aber diese Änderung im Warenangebot hatte sich schleichend manifestiert und erst die alle drei Wochen stattfindende Umsortierungsaktion hatte sie Herrn Emm direkt vor Augen geführt. Im Zuge dieser Marketinggmaßnahmen, die Herr Emm für sich Sachen-verstecken nannte, wuselten die Angestellten mit 4-Farbausdrucken von befüllten Musterregalen herum und platzierten Produkte genau nach Vorlage. Malen nach Zahlen in 3D, sozusagen. Die Räumwut machte auch vor der Milchkühlung nicht halt. Wo gestern noch Herrn Emms bevorzugtes Fruchtjoghurt stand waren unzählige Sorten Margarine zu finden. Sein Joghurt fand Herr Emm dann dort wo früher die Buttermilch war.

Am Heimweg dachte Herr Emm, „wenn man Ersatzbutter in tausend Varianten ohne Milch herstellen kann, warum dann nicht auch Käse?“. Der Gedanke ließ ihn nicht mehr los. Schließlich griff er zum Telefon und ließ sich von den elektronischen Helferleins zu seinem Freund Aah verbinden.

„Aah“ sprach Herr Emm, „du bist doch Lebensmittelchemiker, kann man eigentlich Käse ohne Milch herstellen? Du weißt schon, feste Margarine sozusagen“

„Gute Frage, Emm. Gib mir ein paar Tage Zeit“

Geduldig wartete Herr Emm bis eines Tages eine SMS einlangte „Essen bei mir, um sieben, bring Wein mit, lG Aah“

„Rot oder Weiß?“

„Für mich Rot, lG“

So stand Herr Emm mit zwei Flaschen Rotwein bewaffnet um sieben vor Herrn Aahs Türe. Der öffnete so schnell als hätte er schon am Türspion gelauert. Herr Emm drückte ihm den Wein in die Hand und roch verführerischen Speiseduft aus der Küche.

„Was hast du gekocht, Aah?“

„Nix besonderes, Pizza halt. Leg einmal ab und mach’s dir bequem, dauert noch ein paar Minuten. Und schenk schon einmal den Wein ein, Öffner liegt am Tisch!“

Herr Emm tat wie geheißen und hatte kaum eingeschenkt als Aah auch schon mit zwei dampfenden Tellern erschien und einen vor Herrn Emm abstellte.

„Kappritschiosa mit der Geheimsoße von Laura vom „Bella Napoli“ vermeldete Herr Aah.

„Die hat das Rezept aus der Hand gegeben? Wie hast du das hingekriegt?“

„Gar nicht, aber sie hat mir genug für zwei Portionen verkauft, aber lass uns essen“

Sie ließen sich die Pizza schmecken, schlussendlich konnte Herr Emm nicht anders und fragte aufs Geratewohl: „Was ist eigentlich mit dem Margarine-Käse, Aah? Schon Fortschritte?“

„Du hast die Fortschritte gerade gegessen, Emm“

„Glaub ich nicht“

„Doch, der Pizzakäse war nicht aus Milch, sondern von mir in meinem Testlabor hergestellt. Feinste Zutaten natürlich, aber keine Milch.“

„Faszinierend“ meinte Herr Emm, „das sollte man vermarkten – ich hätte da auch vielleicht einen Kontakt.“

Ein dreiviertel Jahr später erhielt Herr Emm ein Paket zugestellt, darin eine Flaschen Champagner, vom Feinsten und Teuersten. Eine Karte, handgemalt von einem angesagten Maler, lag dabei und Herr Emm las: Danke Emm, dein Kontakt war Goldes Wert, meine Firma macht seit zwei Monaten Gewinn und der Pizzakäse verkauft sich wie blöd.

Das freute Herrn Emm und er beschloss den Champagener einzukühlen und demnächst zu genießen.

Immer öfter las Herr Emm den Namen seines Freundes in den Klatschspalten seiner Morgenzeitung und er freute sich, dass Aah nun endlich auch berufliche den Durchbruch geschafft hatte und er war ihm den Erfolg keineswegs neidisch.

Als es eines Tages an seiner Tür läutete war Herr Emm erstaunt einen ziemlich zerlumpten Ahh auf der Schwelle zu sehen. „Is er auch so ein exzentrischer Reicher geworden?“ dachte sich Herr Emm sagte aber „Aah, du bist’s, komm herein. Ich hab‘ noch den Schampus den du mir geschenkt hast!“

„Gerne, Champagner hab ich schon ewig nicht mehr getrunken“ meinte Aah.

„Du trinkst jetzt wohl noch feineres“ scherzte Herr Emm.

„Ja, frisches Quellwasser“

„Island?“

„Wald vom Bauern Huber“

„Wegen der Gesundheit?“

„Nein, wegen der Pleite“

„Pleite?“ Herr Emm war erstaunt.

„Ja, das kam so:“ erzählte Herr Aah „hast du schon einmal vom Analogkäseskandal gehört?“

„Ja“

„Das war ich“

„Wieso? Ich habe dir doch gesagt, du darfst nicht Käse draufschreiben“

„Hab ich am Anfang auch nicht, aber der Werbeagentur war „Für die Pizza“ zu Wischi-Waschi also Pizzakäse! Den Rest kennst du wohl.“

Herr Emm war betroffen und überlegte. Beim dritten Glas Champagner sagte er „Ich hätte da eine Idee“ und er setzte Herrn Aah seinen Plan auseinander. „.. du kannst solange mein Gästezimmer haben“ schloss Herr Emm seine Ausführungen.

So kam es denn auch. Herr Aah wurde Herrn Emms Logiergast. Wenn Herr Emm morgens aufstand um zur Arbeit zu gehen war Aah meist schon weg, hatte aber immer noch Kaffee gemacht, abends kam er spät zurück und war Tag für Tag besserer Dinge. Eines Morgens fand Herr Emm einen Zettel neben seiner Tasse: „Emm, jetzt geht’s in die heiße Phase, ich danke dir für alles aber ich muss weg!“ stand da zu lesen.

Nach drei Monaten klingelt es wieder an Herrn Emms Türe und ein livrierter Chauffeur bat Herrn Emm zu einer schwarzen Limousine mit verdunkelten Scheiben. Neugierig wie er nun einmal war, folgte er dem Mann und war gar nicht so erstaunt als er Herrn Aah in der Limousine sah.

„Neuer Reichtum? So schnell, Aah?“ frug Herr Emm.

„Bis jetzt nur Wohlstand, die Karre ist gemietet samt Chauffeur. Aber steig ein, ich zeig’s dir.“

Sie glitten in der Komfortlimousine die drei Kilometer zum nächsten Supermarkt flüsterleise dahin.

Gemeinsam betraten sie den Laden und Herr Aah führte Herrn Emm zur Milchkühlung, und im Bereich „Schnittkäse, verpackt“ zeigte er auf eine Packung Bio-Emmentaler zu € 2,49 je 150 Gramm.

„Siehst du, Emm?“

„Ja, Bio-Emmentaler, was ist daran besonders?“

„Nichts“ meinte Herr Aah „aber schau einmal daneben“

Da standen sie „Vegane Scheiben, Goudageschmack“ 120g €3,99 und „Vegane Scheiben, Emmentalergeschmack“ 120g €4,49.

„Ist der Emmentalergeschmack so viel teurer in der Produktion?“ wollte Herr Emm nur wissen.

„Im Gegenteil, sogar billiger, aber die Leute essen ihn lieber. Ich war übrigens so frei und lasse dir eine kleine Provision für deine Idee und deine Gastfreundschaft überweisen.“

So kam es, dass Herr Emm einem Freund zu Wohlstand und nach darauffolgender Armut zu neuem Wohlstand verhalf und zu einem netten Zusatzeinkommen kam.

Linz, im Februar 2024

© 2024, Martin Siegel

Namen, Personen und Handlung sind frei erfunden, jede Ähnlichkeit mit lebenden oder bereits verstorbenen Menschen ist unbeabsichtigt und zufällig.

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